Herbst im Gutleutviertel – vom Hauptbahnhof bis zum Westhafen
Heute gibt es nicht nur ein paar Fakten über das Gutleutviertel. Ich nehme euch richtig mit auf meine Tour durch den Stadtteil. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr die Tour gerne selbst gehen und mir davon Bilder schicken. Das würde mich total freuen, aber jetzt geht’s erst einmal rein ins Gutleutviertel.
Ins Gutleutviertel führen viele Wege. Direkte Nachbarstadtteile sind das Bahnhofsviertel, das Gallus und Griesheim. Mein Weg verlief über den Frankfurter Hauptbahnhof. Laut den Stadtteilgrenzen eines bekannten Kartendienstes gehört der Bahnhof zur Hälfte auch zum Gutleutviertel. Die etwas offizielleren Angaben auf der Website der Stadt Frankfurt zeigen allerdings etwas anderes…
Wo das Gutleutviertel wirklich beginnt
Ganz offiziell beginnt das Gutleutviertel am südlichen Eingang des Hauptbahnhofs. Immerhin liegt mit dem Fernbusbahnhof (nur wenige Schritte entfernt) auch ein Bahnhof im Gutleutviertel.
Bevor es weiter zum Behördenzentrum geht, das man anhand der bunten Hüte auf den Dächern schon von weitem erkennen kann, machen wir Halt am nordöstlichen Eingang des Zentrums. Wir befinden uns jetzt auf dem Familie-Jürges-Platz. In der Mitte des Platzes steht, fast zu übersehen, ein quadratischer Gedenkstein für Martin Jürges (ehemaliger Pfarrer der Gutleutgemeinde und Friedenskämpfer) und seine Familie. Sie kamen am 22. Mai 1983 beim sogenannten Flugtagunglück von Frankfurt ums Leben, als Trümmerteile eines abgestürzten Starfighters das Auto der Familie trafen. Das Flugzeug der kanadischen Flugwaffe hatte auf der Rhein-Main Air Base an einer Flugschau teilgenommen.
Behördenzentrum, Schönplatz und weitere Optionen
Zum 1994 gebauten Behördenzentrum gehören die Gebäude der fünf Frankfurter Finanzämter, das Hessische Landesarbeitsgericht und das Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Das Behördenzentrum befindet sich auf dem Gelände der Gutleutkaserne.
Von der Gutleutkaserne ist lediglich der Kopfbau von 1877 erhalten. Dieser wurde umgebaut und saniert und dient ebenfalls als Verwaltungsgebäude.
Gegenüber der Gutleutkaserne findet ihr einen offenen Bücherschrank, der neben Büchern an einer Seitenwand auch Kunst von Juliane Acker (auf Instagram @ja_macht_art) bereithält.
Weiter geht es zum Schönplatz, auf dem es gar nicht so schön ist, weshalb wir auch schnell auf die Gutleutstraße abbiegen. Wer sich auf der etwas verlassenen Gutleutstraße nicht verfolgt fühlt, kann sie immer weiter geradeaus gehen und das Tanzhaus West, den Sommerhoffpark, den Orange Beach oder die Europabrücke (das Ende des Gutleutviertels) besuchen.
Architektur und Geschichte rund um den Westhafen
Für mich ging es allerdings auch schnell wieder links ab von der Gutleutstraße, direkt am Heizkraftwerk West entlang Richtung Main. Wo heute das Heizkraftwerk West steht, wurde im März 1894 die „Elektricitätscentrale“ gebaut – das erste öffentliche Elektrizitätswerk Frankfurts. Etwas versteckt zwischen den Türmen des Kraftwerks, dem Westhafen-Pier, der Main-Neckar-Brücke und dem Blick auf die Skyline liegt das denkmalgeschützte Druckwasserwerk (ganz links im Bild). Es ist das letzte historische Gebäude der ehemaligen Hafenanlage und Teil der Route der Industriekultur Rhein-Main.
Einen besonders guten Blick auf den Westhafen-Pier, den Main und die Stadt hat man von der Main-Neckar-Brücke aus.
Die Main-Neckar-Brücke ist eine Eisenbahnbrücke mit Fußgängersteg an einer Seite und verbindet das Gutleutviertel mit den Stadtteilen Niederrad und Sachsenhausen.
Von der Brücke geht es wieder runter in den Bereich des Westhafens. Habt ihr euch schon mal gefragt, wofür das Konstrukt am rechten Bildrand gut ist?
Wenn ja, habe ich endlich eine Antwort für euch: Es ist eine Anlegestelle mit Kran und Kohlesauger. Schiffe, die Kohle geladen haben, können dort anlegen. Die Kohle wird von den Schiffen „gesaugt“ und gelangt ins Kraftwerk. Auf dem Weg dorthin durchquert die Kohle auf einem Förderband die Bürogebäude des Westhafen-Piers.
Sind euch auch schon mal die 1UP Graffiti aufgefallen und ihr wusstet nicht, für was 1UP steht?
Das ändert sich jetzt: 1UP steht für One United Power und ist gleichzeitig der Name einer Sprayer-Gruppe aus Berlin-Kreuzberg, die es seit 2003 gibt.
Der Westhafen-Pier ist nicht nur eine gute Fotokulisse. Die Architektur ist auch schon weit herumgekommen. 2006 gehörte sie auf der 10. Internationalen Architektur-Biennale Venedig zum deutschen Beitrag. Das Thema der Biennale war „Cities. Architecture and Society“.
Auf der Mole, die den Westhafen vom Main abgrenzt, kann man bis zur Spitze spazieren und den Ausblick genießen. Wenn die Jollen unterwegs sind und die Sonne scheint, kommt hier ganz schnell Urlaubs-Feeling auf.
Westhafen Tower und Westhafenplatz
Der Westhafen Tower ist ein Turm, dem man im Gutleutviertel immer wieder begegnet, weil er über fast jedes Hausdach ragt oder sich in den verschiedensten Glasscheiben spiegelt. Echte FrankfurterInnen und InsiderInnen kennen ihn vor allem als Geripptes, da seine Form und die rautenförmige Fassade an ein Apfelweinglas erinnern. Mit seinen 109 Metern ist der Turm seit 2004 ein unübersehbarer Teil des Gutleutviertels. In meiner Schulzeit haben wir einmal einen Klassenausflug in den Westhafen Tower gemacht und die Stadt von oben gemalt. Vielleicht der eigentliche Startschuss für 43perspektiven. 😄
Der Westhafen Tower steht direkt am Westhafenplatz. Auch die anderen Gebäude am Westhafenplatz sind architektonisch aufeinander abgestimmt. Es gibt viele Dreiecke und vor lauter Spiegelungen weiß man gar nicht, welche Perspektive man als nächstes fotografieren soll.
Auf dem Rückweg
Nach der Main-Neckar-Brücke, die ich bereits vorgestellt habe, ist die Friedensbrücke stadteinwärts die nächste Möglichkeit, den Main zu überqueren. Sie wurde am 1. März 1951 eingeweiht. Ihre Brückenpfeiler sind voller Graffiti. Auch das Wandgemälde, das an die Opfer des rassistischen Anschlags am 19. Februar 2020 in Hanau erinnert, befindet sich hier.
Mit einem letzten Blick Richtung Westhafen geht es in der Abendsonne wieder rein ins Getümmel der Stadt. Über den Baseler Platz geht es wieder in Richtung Bahnhof. Auf dem Weg warten aber noch weitere Stationen.
Die nächste Station sind die Baseler Akarden. Klingt erst einmal großartig, entpuppt sich aber nur als ein Bürogebäude mit ein paar Geschäften… Direkt gegenüber liegt das Mainforum, der Hauptsitz der IG Metall. Würdet ihr auf der anderen Seite des Gebäudes stehen, sähe es ganz anders aus, da die Fassade auf der anderen Seite verglast ist. Die unterschiedlichen Fassaden sind darauf ausgelegt, Energie zu sparen.
So gut wie die letzte Station im Gutleutviertel ist der Wiesenhüttenplatz. Von dort aus ist es nicht mehr weit zum Hauptbahnhof, dem Ausgangsort. Wie hat euch die Tour gefallen? Werdet ihr sie ausprobieren oder habt ihr dies bereits? Ich freue mich über Kommentare. 🙂
Habt ihr Lust auf einen weiteren, richtig herbstlichen Post? Dann schaut gerne bei meinem Beitrag zum Frankfurter Berg vorbei!
Jedem Stadtteil wird vor meinem Besuch eine zufällige Frage zugeteilt. Während meiner Tour durch den Stadtteil suche ich eine Antwort. Die Antwort halte ich in einem Bild und ohne weitere Erklärung fest:
2 Comments
Jürgen
Auch hey. Schöne Seite mit sehr schönen Bilder. Und interessanten Texten. Mir fehlt am Schönplatz zwar der Schönplatz, denn da habe ich als Knirps gespielt, wenn Mutter nicht ins Nizza gelaufen ist. Auch die Gutleutstraße war mir früh geläufig. mein Schulweg führte einst über den Baseler Platz bis fast zur Moselstrße.
In die andere Richtung war die Gutleutstraße etwa kürzer, sie endete bei der Wäscherei der Amerikaner. Bis zum Bahndamm ging es dann auf einem Fuß- und Radweg. Orange Beach gab es da noch nicht, dafür aber die „Insel“ gegenüer dem alten Niederräder Klärwerk. Da lernte ich das Schwimmen – im Main.
Faszinierend finde ich immer wieder, wie unterschiedlich man Frankfurt und seine Stadtteile sehen kann.
Melissa H.
Durch Deinen Blog erfahre ich so viel Neues über meine Geburtsstadt. Vielen Dank!
Die Beiträge sind immer spannend und interessant, gespickt mit feinem Humor in Wort und Bild. Ich freue mich schon auf den nächsten Stadtteil.